Kapitel 15

Was machen wir hier oben?« Antonietta hielt ihr Gesicht in den Wind. Sie war seit Jahren nicht mehr auf der Mauerwehr gewesen. Es war viel zu gefährlich. Sogar in Begleitung von Byron hatte sie Angst. Ein unbedachter Schritt nur, und sie würde in die Tiefe stürzen. Als sie einatmete, nahm sie den schwachen Geruch einer Katze in der Luft wahr. Die Vorstellung, dass sich der Jaguar möglicherweise in der Nähe befand und sie vielleicht genau in diesem Moment beobachtete, war erschreckend.

»Ich will mit dir fliegen. Du hast gesagt, du würdest es gern ausprobieren. Der Himmel ist, abgesehen von kleinen Nebelschwaden, wunderbar klar. Ich glaube, du wirst es nach diesem anstrengenden Abend genießen.«

Sie achtete auf seine Stimme, nicht auf das, was er sagte. »Was ist los, Byron?«

Er zog sie an sich und vergrub sein Gesicht an ihrem Hals. »Du bist in meiner Obhut, Antonietta, deine Sicherheit hat absolute Priorität. Dass du akzeptierst, was und wer ich bin, bedeutet mir alles. Ich möchte dir etwas Besonderes schenken. Etwas, an das du dich immer erinnern wirst.«

Ihre Fingerspitzen wanderten über sein Gesicht. Byron empfand es jedes Mal als sehr intim, wenn sie in seinen Zügen las. Ein Hauch von Zärtlichkeit blieb auf seiner Haut, ob es ihr bewusst war oder nicht. Er wusste, dass sie jetzt seine Vorfreude erkannte. Die Verbindung zwischen ihnen war sehr stark. So viel war seit dem Moment, in dem sie aufgewacht war, geschehen, und so viel mehr würde ihr noch abverlangt werden.

»Wenn Fliegen ein so denkwürdiges Ereignis ist, warum hast du dann Angst um mich?«

Er fasste sie an den Handgelenken, zog ihre Hände von seinem Gesicht und legte sie an seine Brust. Dann lehnte er seine Stirn an ihre. »Ich muss heute Abend mit dir darüber sprechen, was ich bin und was es für uns beide bedeutet, dass du die Gefährtin meines Lebens bist.«

»Und du hast Angst, ich könnte dich nicht akzeptieren? Das habe ich bereits getan. Damit will ich nicht sagen, dass ich nicht eine Million Fragen hätte, Byron, aber wie kann ich Angst davor haben, was du bist, wenn du nicht fürchtest, was ich bin, insbesondere jetzt, wo hier in der Gegend eine Raubkatze Menschen tötet? Manchmal kann ich den Jaguar in mir fühlen. Meine Haut juckt regelrecht vor Verlangen, meine Gestalt zu ändern. Oder machst du dir Sorgen um mich, weil du glaubst, dass der Killer jemand aus meiner Familie ist, vielleicht Paul?«

»Es ist nicht Paul. Oder falls er es doch ist, hat er keine Erinnerung daran, die Gestalt eines Jaguars angenommen zu haben.«

Sie atmete erleichtert auf. »Ich hatte solche Angst. Ich wusste nicht, was ich von Paul und seinem bizarren Verhalten halten sollte. Wie ist er bloß auf die Idee gekommen, er könnte der Polizei helfen, eine professionelle Einbrecherbande auffliegen zu lassen? Glaub mir, ich kenne Paul; er ist nicht der Typ für verdeckte Ermittlungen. Es sieht ihm ähnlich, sich niederstechen zu lassen und sich nach Hause zu schleppen, statt in ein Krankenhaus zu gehen, und dann noch alle zu überreden, dass er zu Hause bleiben darf. Und all das nur, um Justine vor dem Gefängnis zu bewahren.« Sie schüttelte den Kopf. »Nonno würde Paul nie die Leitung der Reederei anvertrauen, egal, wie schlau er sich anstellen mag. Wenn es hart auf hart kommt, wird er immer eine emotionale Entscheidung treffen.«

»Du willst das Unternehmen nicht.« Ihr Haar war weich, ihr Mund sehr verführerisch. Er nahm ihr die dunkle Brille ab und strich mit seinen Lippen über ihre Lider.

»Nein. Ich bin Künstlerin. Ich will mich meiner Musik widmen. Wahrscheinlich bin ich egoistisch. Es passt mir gar nicht, das, was ich am liebsten tue, zu unterbrechen, um an endlosen Besprechungen teilzunehmen. Paul hat die entsprechenden Fähigkeiten, allerdings nicht die Persönlichkeit, um das Familienunternehmen zu leiten.«

Seine Hand stahl sich unter ihr Kinn und hob ihr Gesicht an. »Ich liebe es, dich zu küssen. Ich könnte eine ganze Lebenszeit oder zwei damit verbringen.«

»Komisch, mir geht es genauso.« Sie bot ihm ihren Mund dar und ließ sich von Byrons Zauber gefangen nehmen. Der Wind, der von der See kam, war frisch und kühl und wirkte wie ein Kontrapunkt zu den Flammen, die zwischen ihnen aufloderten.

Ein Schatten zog über sie hinweg, ein kurzer Streifen Grau vor dem Mond. Byron wusste sofort, dass sie nicht mehr allein waren. Er fuhr herum und schob Antonietta hinter sich. Rühr dich nicht von der Stelle, und gib keinen Laut von dir.

Was ist los?

Das weiß ich noch nicht. Wachsam suchte er die Umgebung nach Feinden ab. Es war weder ein Anzeichen von einem Vampir noch der Geruch des Jaguars zu bemerken. Die Störung kam von oben, von den Ecktürmchen über ihren Köpfen.

Byron verengte sein Blickfeld, um sorgfältig jeden Zentimeter der Giebel und Dächer zu überprüfen. Als er aus dem Augenwinkel eine leichte Bewegung wahrnahm, erstarrte er.

Der Wasserspeier, der direkt über ihm nach vorn ragte, starrte ihn aus roten, glühenden Augen an. Ein lautes Knarren war zu hören, als der gewaltige gemeißelte Kopf sich ein wenig zur Seite wandte und die Schwingen sich fast zwei Meter weit spannten, als wollte das Geschöpf im nächsten Moment abheben.

Antoniettas Hand schloss sich an seinem Rücken krampfhaft um sein Hemd. Gleichzeitig verschmolz sie mit seinem Bewusstsein. Sie konnte nicht sehen, was er sah, aber sie empfing einen scharfen Eindruck von dem Bild in seinem Kopf. Das ist unmöglich! Diese Wasserspeier sind nicht lebendig. Ihre Augen sind aus Stein. Es sind nicht einmal Edelsteine in ihnen, in denen sich das Licht brechen könnte. Und sie können weder den Kopf bewegen noch ihre Flügel ausbreiten.

Du hast völlig Recht, Antonietta. Seine Stimme klang so grimmig, dass es ihr kalt über den Rücken lief. Ich kenne nur eine Person, die es wagen würde, mir einen solchen Streich zu spielen.

Byron konzentrierte sich auf den Wasserspeier. Der Kopf drehte sich weiter nach hinten, bis er dem Dach zugewandt war. Noch während sich der Kopf bewegte, klaffte ein riesiges Maul auf, und gewaltige Zähne zeigten sich im Kiefer. Der Mund schnappte und biss krachend zu. Josef jaulte und kam hervorgesprungen, sodass Byron ihn sehen konnte.

»Du hast mir beinahe das Bein abgebissen«, warf er seinem Onkel vor.

»Das war beabsichtigt«, erwiderte Byron ruhig. »Wenn du das nächste Mal versuchst, dich an mich heranzuschleichen, sorge ich dafür, dass der Wasserspeier ein ganzes Stück aus dir herausholt.«

Josef setzte sich niedergeschlagen auf den Rücken des Wasserspeiers. »Ich kriege es einfach nicht hin. Egal, wie oft ich

versuche, einen unbelebten Gegenstand zu bewegen, es macht immer Geräusche. Wenn alles glattgegangen wäre, hättest du bestimmt nicht mitbekommen, dass ich es bin.«

Antonietta, die spürte, dass Byron drauf und dran war, dem Jungen gehörig die Meinung zu sagen, legte eine Hand auf seine Schulter. »Das klingt, als ob es nicht ganz leicht wäre, Josef. Ich glaube, jeder hätte Mühe, eine Skulptur oder einen Wasserspeier dazu zu bringen, sich zu bewegen.«

»Ich dachte, Sie sind blind«, sagte Josef.

»Nicht ganz blind, wenn Byron in der Nähe ist. Ich empfange über sein Bewusstsein Bilder oder zumindest eine Ahnung dessen, was um mich herum passiert. Du solltest so spät nicht mehr draußen sein. Ich weiß nicht, ob Byron dich gewarnt hat, aber hier treibt sich ein Jaguar herum, der bereits mehrere Menschen getötet hat. Das ist mein Ernst. Ich glaube nicht, dass deine Mutter dich verlieren möchte.«

»Ich kann selbst auf mich aufpassen«, versicherte Josef. »Können Sie eine andere Gestalt annehmen?«

»Nein, aber es macht sicher Spaß.«

»Es ist schwer, es ganz allein zu versuchen. Ich übe ständig, aber manchmal misslingt es mir immer noch. Warum haben Sie es noch nicht versucht?«

»Ich bin nicht wie du.«

»Doch, sind Sie. Sie sind Byrons Gefährtin. Sie -«

»Josef.« Die Warnung in Byrons Stimme war nicht zu überhören. »Das reicht. Du gehst sofort in die Villa zurück. Antonietta hat Recht, hier draußen bist du nicht sicher.« Obwohl ich glaube, dass ihm eher von mir Gefahr droht als von einer anderen Seite.

Er ist doch noch ein Junge.

Das sagt Eleanor mir auch ständig.

»Kann ich nicht mit euch mitkommen, Onkel Byron? Mom erlaubt mir gar nichts. Als ich die Mauer der Villa raufklettern wollte, hat sie Zeter und Mordio geschrien. Mit ein bisschen Anlauf kann ich ganz schön hoch springen, aber irgendwie hab ich es noch nicht raus, an einer senkrechten Wand hochzukommen. Ich brauche festen Halt für meine Hände und Füße.«

Byron seufzte. »Du versuchst, mit deinem Körper zu arbeiten. Benutz deine geistigen Kräfte. Du bist zu sehr auf deine Körperlichkeit fixiert.«

Antonietta fröstelte. Der Wind konnte schneidend kalt sein. Byron zog sofort seine Jacke aus und legte sie ihr um die Schultern. Sie war überrascht, wie warm der Stoff war.

»Geh zur Villa zurück, Josef. Ich werde morgen ein bisschen mit dir üben, obwohl du nicht vergessen darfst, dass du diese Fähigkeiten vor Leuten, die nicht zu unserem Volk gehören, weder einsetzen noch erwähnen solltest. Wir sind eher bemüht, möglichst wenig aufzufallen.« Byron gab sich große Mühe, nicht so gereizt zu klingen, wie er sich fühlte.

»Ist doch niemand in der Nähe. Du warst so damit beschäftigt, Antonietta zu küssen, dass ich dachte, ich könnte mich hier oben anschleichen und dir einen Streich spielen.«

»Du kannst von Glück reden, dass ich dich nicht mit einem Blitz durchbohrt habe. Geh nach Hause. Ich möchte mit meiner Gefährtin allein sein.«

Josef stieß einen tiefen Seufzer aus. »Ich darf nie ein bisschen Spaß haben! Ich finde es einfach nicht fair, dass man mir ständig predigt, dass ich noch damit warten muss, etwas zu lernen.«

Genug! Byron stieß den stummen Befehl mit zusammengebissenen Zähnen hervor. Tu, was ich dir sage!

Josef richtete sich mürrisch auf. Sein Körper verblasste und schimmerte leicht, aber ansonsten passierte nichts. Byron schloss die Augen und bat in einem stummen Gebet um Geduld. »Josef, du musst das Bild im Geist festhalten.«

»Das macht Dad immer für mich.«

»Wie bist du dann überhaupt hierhergekommen? Wenn ich es für dich mache, lernst du es nie.«

Antonietta schmiegte sich an Byron. »Wenn du mit mir fliegen willst, könnten wir ihn doch nach Hause begleiten, oder?«

Byron küsste sie auf die Schläfe. »Du bist eine sehr verständnisvolle Frau.«

»Danke, dass du das auch schon bemerkt hast.« Antonietta machte eine Handbewegung in die Richtung, in der sie Josef vermutete. »Komm mit! Byron will mich auf einen Flug mitnehmen. In das Vergnügen eines solchen Erlebnisses bin ich noch nie in meinem Leben gekommen.«

»Ich werde die Gestalt eines geflügelten Drachens annehmen. Mit den Klauen kann ich dich gut festhalten, und wenn du unsicher wirst, merke ich es gleich, und wir können sofort zur Erde zurückkehren.«

»Ein Drache mit Schuppen?«

»Ja, meinetwegen auch mit Schuppen.«

»Darf ich mir eine Farbe aussuchen?«

Byron lachte. »Welche Farbe hättest du denn gern?«

»Als ich ein kleines Mädchen war, las mir meine Mutter immer aus einem Buch von einem Drachen mit herrlich schillernden blauen Schuppen vor. Das klang für mich wunderschön. Ich sehe den Drachen immer noch vor mir, zartblau schimmernd, genau wie auf den Bildern in meinem Buch. Es ist eine sehr lebendige Erinnerung.«

»Dann wird dein Drachen zartblau schimmern.« Er zog sie an sich und fuhr mit seinen Lippen über ihren Hals.

»Warum kann ich nicht auf dem Drachen reiten? In den

Büchern saß immer ein Reiter auf dem Rücken des Drachen. Nur der arme Dummkopf, der gefressen werden sollte, hing vorne in den Klauen.« Antonietta spürte, wie Byrons Zähne über die hektisch pochende Pulsader in ihrer Halsbeuge strichen, und ein Schauer überlief sie. Die leichte Berührung war unglaublich erregend. Jetzt bohrten sich seine Zähne leicht in ihr Fleisch, und ein heißer Feuerstrahl schoss durch ihre Adern. Seine Zunge strich über ihre Haut und linderte den Schmerz.

»Ich will nicht riskieren, dass du hinunterfällst.« Die Worte wurden mit seinem warmen Atem leise an ihren Hals gehaucht. Seine Zähne pressten sich auf ihre Pulsader und knabberten zärtlich an ihrer Haut.

»Ich falle bestimmt nicht runter, Byron. Ich werde mich gut festhalten. Bitte, erlaube es mir!«

Wie konnte er ihr auch nur den kleinsten Wunsch abschlagen, wenn er wusste, was sie in dieser Nacht noch erwartete? »Es würde mich sehr unglücklich machen, wenn du stürzt, Antonietta.«

»Manchmal klingst du wie ein alter Brummbär, Byron.«

»Ich möchte auch ein Drache sein«, rief Josef. »So was habe ich noch nie gemacht. Das wäre unheimlich cool.«

Byron breitete resigniert die Hände aus. »Halt an dem Bild fest, dass du in meinem Geist siehst, Josef. Vergewissere dich, dass du in der Lage bist, es in deinem Bewusstsein zu halten, bevor du vom Dach trittst. Du darfst dich durch nichts ablenken lassen. Es geht hier um ein sehr großes Tier, etwas ganz anderes als einen Vogel. Es ist nicht leicht, weil es ungewohnt ist. Präg dir die Details genau ein, und halt an dem Bild fest. Und bleib dicht bei mir, für den Fall, dass du Hilfe brauchst.«

»Du bist wirklich lieb, Byron.« Antonietta strahlte ihn an.

»Lächle mich lieber nicht so betörend an, Liebes. Ich kann dann nicht mehr klar denken. Wenn Josef auch nur ein Haar gekrümmt wird, reißt mir meine Schwester den Kopf ab. Und ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn dir etwas zustieße.«

Ihr fröhliches Lachen über seinen bekümmerten Tonfall klang hell durch die Nacht. »Ich bin so aufgeregt! Komm, mein Drache, lass uns fliegen!«

Byron wartete nicht länger. Er befürchtete, seine Meinung zu ändern, wenn er zu lange darüber nachdachte, was alles passieren könnte. Er veränderte seine Gestalt und hielt dabei für seinen Neffen das detaillierte Bild des schillernd blauen Drachen in seinem Bewusstsein fest. Vorsichtig, um nicht aus Versehen Antonietta anzustoßen, kauerte sich der gewaltige Drache hin, damit sie auf seinen Rücken steigen konnte.

Antonietta ließ langsam ihren angehaltenen Atem entweichen und streckte beide Hände nach der massiven Gestalt aus, die ihr so nahe war. Der breite Rücken war kühl und mit Schuppen besetzt und fühlte sich so ähnlich wie der große Python an, den sie einmal angefasst hatte. »Oh, Byron, das ist einfach unglaublich!« Sie spürte, wie ihr angesichts dieses unerwarteten Geschenks Tränen in die Augen stiegen. Nicht einmal in ihren kühnsten Träumen hätte sie an ein solches Erlebnis zu denken gewagt. Sie nahm sich Zeit, um den schweren Körper abzutasten und den Hals und auch den spitzen Kopf unter ihren Fingerspitzen zu spüren. »Der Drache ist wunderschön. Perfekt. Diesen Augenblick werde ich nie vergessen.«

Sie stieg auf das ausgestreckte Bein. Es waren mehrere Anläufe nötig, bis sie endlich auf den Rücken hochgeklettert war. Es gab einen kleinen Sattel, in den sie sich setzen konnte, und Steigbügel für ihre Füße. Antonietta wurde warm ums Herz, weil Byron so aufmerksam war. Er schien selbst an das kleinste Detail zu denken, um ihr alles leichter zu machen. Sie beugte sich vor und schlang die Arme um den Hals des Drachen, die Zügel fest in den Händen. »Ich bin bereit, Byron. Es kann losgehen!«

Der Drache richtete sich vorsichtig auf, um seinen Reiter nicht abzuwerfen. Josef? Bist du soweit? Der kleinere Drache, der auf dem Dach des Eckturms kauerte, breitete seine Flügel aus und ließ sie probeweise flattern.

Antonietta lachte, als sie spürte, wie Byron seine Schwingen ausbreitete und ein Luftzug über ihre Haut strich. Auch jetzt waren seine Bewegungen sehr behutsam, aber der Drache war riesig und die Spannweite seiner Flügel gewaltig. Als er sich von der Brüstung in die Luft abstieß, traf sie das mulmige Gefühl in ihrer Magengrube völlig unvorbereitet. Krampfhaft klammerte sie sich am Hals des Drachen fest.

Ich kann dich halten, cara.

Sie zwang sich, sich aufzusetzen und die Bewegung des Tiers zwischen ihren Beinen aufzunehmen. Antonietta hielt ihr Gesicht in den Himmel. Nein, kannst du nicht. Ich werde es ganz allein schaffen. Und sie schaffte es. Es war berauschend, über den Himmel zu gleiten, mit mächtigen Flügelschlägen, die die Luft aufwirbeln ließen, sodass sie sich jeden Augenblick des Fabelwesens mit seinen schillernden blauen Schuppen bewusst war. Es war, als wäre ein Märchen wahr geworden. Kannst du Feuer speien P Wir könnten einen Abstecher zum Haus der Demonesinis machen und Christophers Haare versengen.

Byron spürte ihr Lachen direkt durch den Körper des Drachen. Durch seinen Körper. Tief in seinem Inneren empfand Byron unglaubliche Freude.

Helles Entzücken erfüllte Antonietta. Der Wind wehte ihr Haar in alle Richtungen, blies ihr ins Gesicht, beraubte sie der Sprache und ließ ihre Augen tränen. Sie konnte den Nachthimmel nicht sehen, aber sie konnte sich die Sterne vorstellen, die über ihrem Kopf wie Edelsteine funkelten. Sie beugte sich tief über den Hals des Drachen, um ihn dazu zu bringen, schneller zu fliegen.

Schau dir das an, Onkel Byron.

Josef versuchte, in der Luft einen Looping zu machen und kam dabei gefährlich nahe an den größeren Drachen heran, sodass Byron ein hastiges Ausweichmanöver machen musste, um einen Zusammenstoß mitten in der Luft zu vermeiden. Antonietta packte die Zügel fest mit beiden Händen, als sich ihre Hüften vom Rücken des Drachen hoben. Byron bewegte sich mit ihr und ließ sie wieder in den Sattel gleiten, bevor sie hinunterrutschen konnte. Ihr Herz hämmerte, und sie presste ihre Schenkel so fest wie möglich an seine Flanken. Es geht mir gut. Das ist phantastisch! Ich fühle mich so lebendig. Sie sagte es schnell, da sie spürte, wie zornig er auf seinen Neffen war.

Josef schien nicht zu bemerken, was er angerichtet hatte. Er machte mit seinen Kapriolen weiter, indem er im Sturzflug nach unten jagte und knapp vor dem Boden wieder aufstieg, so abrupt, dass er beinahe einen Salto schlug. Im nächsten Moment war er völlig desorientiert. Ihm war schwindlig, und Panik verdrängte das Bild in seinem Bewusstsein. Er sackte nach unten.

Byron legte gewaltig an Tempo zu, schoss hinunter und tauchte tief unter den Jungen. Pass auf dich auf Antonietta! Er fällt runter und kommt schräg von oben auf uns zu. Ich versuche ihn aufzufangen und mit meinen Klauen festzuhalten. Der Vollidiot hat einen kräftigen Tritt in sein Hinterteil verdient!

Byron streckte den Vorderarm nach dem stürzenden Jungen aus. Josef sah den riesigen, keilförmigen Kopf und das Maul mit den scharfen Zähnen und geriet erneut in Panik. Er schlug dem Drachen auf die Schnauze und trat so heftig nach den langen Klauen, dass er ein Stück zurückgeschleudert wurde.

Byron fluchte und ließ sich blitzschnell unter seinen Neffen fallen. Ich will ihn an den Drachenschweif heranbringen. Versuch ihm zu helfen, aber fall dabei nicht selbst runter!

Josef schlug auf dem Rücken des Drachen auf und kullerte weiter nach hinten zum Schwanz. Antonietta hatte die Zügel bereits losgelassen und griff instinktiv hinter sich. Sie streifte Josefs Hemd, packte es und hielt es fest. Sein Gewicht zog sie beinahe vom Drachen, aber Byron verlagerte seine Position und half ihr damit, das Gleichgewicht zu halten und nicht hinunterzurollen. Josef klammerte sich an den Drachen und bohrte seine Fersen fest in die Flanken.

Er hievte sich hinter Antonietta und schlang seine Arme fest um ihre Taille. Sie war erstaunt über seine Kraft und seine Größe. Es war nicht so, als würde ein Junge hinter ihr sitzen. Er fühlte sich wie ein ausgewachsener Mann an.

Wie alt ist dein Neffe?

Nach menschlicher Rechnung ist er zweiundzwanzig. Bei uns gilt er noch als Halbwüchsiger, als Kind, das unsere Fähigkeiten erst noch lernen muss. Eine andere Gestalt anzunehmen, ist nicht leicht. Die meisten Eltern halten das geistige Bild für ihre Kinder so lange fest, bis das Kind lernt, auf jedes Detail zu achten. Man muss gleichzeitig auf mehreren Ebenen operieren. Wenn du das einmal lernst, werde ich derjenige sein, der dir hilft.

Ich besitze nicht die Fähigkeit, meine Gestalt zu verändern, Byron, wirklich nicht. Manchmal kann ich den Jaguar in mir deutlich spüren, aber ich kann die Umwandlung nicht vollziehen, nicht einmal, wenn ich mir Mühe gebe.

Antonietta war dankbar für Byrons Jackett und die anhaltende Wärme, die es ihr spendete, während sie über den Himmel zogen. Sie spürte, wie der Drache in langen, weit gezogenen Kreisen nach unten glitt, bis er in der Luft anhielt und heftig mit den Flügeln schlug, um an Ort und Stelle zu bleiben. Josefließ sich hastig auf den Balkon der Villa gleiten, die er mit seinen Eltern bewohnte. Der Drache stieg sofort wieder auf.

Antonietta beugte sich vor und legte ihre Arme um den Hals des Drachen. »Ich will, dass es nie aufhört! Ich finde, wir sollten die ganze Nacht fliegen.«

Byron war froh, dass Eleanor daran gedacht hatte, eine zweite, kleinere und abgeschiedener Villa für ihn und seine Gefährtin zu besorgen. Er wollte Antonietta nicht in eine Höhle tief unter der Erde bringen und ihr seine Lebensweise erklären. Ihr erklären, wie ihr eigenes Leben in Zukunft aussehen würde. Er wollte eine schöne Umgebung, in der sie sich wohl fühlen konnte. In Gedanken übermittelte er Eleanor seinen Dank für ihre Aufmerksamkeit. Er wusste nicht, wie ihr das in so kurzer Zeit gelungen war, aber Eleanor war schon immer sehr tüchtig gewesen.

Der Drachen landete auf der breiten Veranda, die aufs Meer hinausging. Antonietta wartete, bis die gewaltigen Schwingen am Körper Anlagen, bevor sie nach dem ausgestreckten Bein tastete. Ihre Füße fanden festen Boden, während Byron bereits wieder seine menschliche Gestalt annahm. Sie lachte und warf beide Arme um ihn. »Grazie! Du hast keine Ahnung, was mir dieses Erlebnis bedeutet. Fliegen könnte ohne weiteres zu meiner Lieblingsbeschäftigung werden.«

Seine Finger legten sich auf ihren Nacken und zogen sie an sich. »Ich werde es dir beibringen müssen.«

»Ich verstehe immer noch nicht, warum es Josef so schwerfällt, während du nicht das geringste Problem damit hast. Ich konnte das Bild im Geist klar und deutlich sehen.«

»Weil ich es für dich festgehalten habe. Es ist ganz ähnlich wie Luft zu holen. Allerdings denkt man beim Atmen nicht bewusst daran, wie es funktioniert, das Gehirn übermittelt den Lungen die entsprechenden Informationen, ohne dass man sich selbst bemühen muss. Eine andere Gestalt anzunehmen, ist nicht ganz so einfach. Du musst den Vorgang kontrollieren, auch wenn du währenddessen etwas anderes machst. Die Details müssen dein Denken vollständig beherrschen, egal, was sonst noch passiert. Karpatianer müssen zur gleichen Zeit auf mehreren Ebenen denken. Das müssen unsere Kinder erst lernen, da sie dieses Wissen nicht von Geburt an haben. Natürlich sind einige begabter als andere. Und wir haben auch ein paar Genies.«

Seine Finger massierten kraftvoll und besitzergreifend ihren Nacken. Antonietta hob ihre Hände, um seine einzufangen. Er hatte ihr die unglaublichste Erfahrung ihres Lebens geschenkt. Sie schmiegte sich an ihn und bot ihm ihr Gesicht voller Vertrauen und Liebe dar.

Byron stöhnte leise, hob sie hoch und barg sie an seiner Brust. »Ich wünsche mir im Moment nichts mehr, als mit dir zu schlafen.«

»Das klingt ja, als ob es etwas Schlechtes wäre. Ich will es auch.« Ihre Fingerspitzen streichelten seine geschwungenen Lippen. Sie liebte seinen Mund, seine Form und Beschaffenheit. Die Art, wie er schmeckte. Sämtliche Nerven ihres Körpers prickelten vor Erregung nach ihrem wilden Ritt am Himmel. Sie verlangte ebenso sehr nach ihm wie er nach ihr.

Byron trug sie zur Villa. Eleanor hatte ihm versichert, dass einer der Räume sicher genug war, um als Schlafkammer zu dienen. Zielsicher bewegte er sich an den Möbeln vorbei, als wäre er schon unzählige Male hier gewesen, und fand die Wendeltreppe zu dem luxuriösen unterirdischen Schlafgemach. Vor den Fenstern hingen schwere Samtvorhänge. Das Zimmer war groß und mit einem dicken Teppich ausgelegt. Eine Stufe führte zu einem großen, in den Boden eingelassenen Whirlpool aus Marmor, der ringsum mit Kacheln in verschlungenen Mustern ausgelegt war.

»Das ist dein Zuhause?« Seine plötzliche Zurückhaltung verwirrte sie. Sie hatte sich so sehr daran gewöhnt, Byron ständig in ihrem Bewusstsein zu spüren, dass sein Rückzug sie verunsicherte. »Da Celt nicht bei mir ist, musst du mir zeigen, wie der Raum angelegt ist. Ich kann mir Dinge schnell einprägen und dadurch verhindern, dass es zu Unfällen kommt. Ich bin noch nie gern über Stühle gestolpert. Es ist so entwürdigend.«

Statt zu lachen schien Byron noch angespannter zu werden. Er setzte sie neben dem Bett ab. Sie fuhr mit einer Handfläche über die dicke Bettdecke.

»Ich würde nie zulassen, dass du hinfällst.« Er vermittelte ihr sofort eine Skizze des Zimmers.

Sie lächelte ihn warm an. »Nein, natürlich nicht. Ein hübsches Zimmer. Ich hätte nichts dagegen, nach der Nachtluft im Whirlpool zu sitzen. Was hältst du davon?«

Byron fuhr sich mit einer Hand durchs Haar und drehte gehorsam die Wasserhähne auf, bevor er sich auf die Bettkante setzte.

Antonietta studierte den Plan des Zimmers in seinem Kopf, bevor sie langsam herumschlenderte und vorsichtig eine Stufe hinuntertrat, um sich an den Rand des Beckens zu setzen. »Was beunruhigt dich, Byron?« Sie hatte nicht das Gefühl, dass er ihre Beziehung beenden wollte. Er schien eher zu befürchten, dass sie vielleicht Schluss machen wollte. »Hat es etwas damit zu tun, auf welche Weise du meinem Cousin Blut gegeben hast?« Sie schlüpfte aus seiner Jacke, faltete sie ordentlich zusammen und legte sie ein Stück von der Wanne entfernt auf den Boden. »Du kannst ruhig sagen, was dir auf der Seele liegt. Das willst du doch, oder? Du weißt nur noch nicht, wie du mir alles erklären sollst. Ist es so schwer, mit mir zu reden ? Ich war dabei. Ich erinnere mich, dass ich dich gebeten habe, Paul zu retten. Glaubst du, ich werde mich jetzt darüber aufregen, wie du es angestellt hast, das Unmögliche zu vollbringen?«

Byron hob den Kopf und sah sie an. »Ich weiß nicht, was ich je getan habe, um dich zu verdienen, Antonietta. Du bist wirklich eine bemerkenswerte Frau.«

Ihr leises Lachen war sehr einladend, als wäre sie eine verführerische Sirene, die ihn allein mit dem sinnlichen Reiz ihrer Stimme locken könnte. Er war sofort wie gebannt, als er zusah, wie sie langsam ihre Sandalen abstreifte. Die Art, wie sie mit einer Hand über ihre Füße fuhr, war sehr weiblich. »Hat irgendein Mann eine Frau verdient? Darüber sollte ich einmal gründlich nachdenken. Aber wie auch immer, du bist eindeutig meine Wahl.« Sie neigte sich vor und tauchte eine Hand ins Wasser, um zu überprüfen, wie tief es war.

»Meine Spezies existiert vom Blut anderer. So ernähren wir uns. Wir können uns zwingen, feste Nahrung zu uns zu nehmen, aber es ist uns eher unangenehm. Die meiste Zeit geben wir nur vor, etwas zu essen. Wenn wir tatsächlich Nahrung aufnehmen, müssen wir sie so bald wie möglich ausscheiden.« Er versuchte, sachlich zu klingen, aber sein Blick bohrte sich eindringlich in ihr Gesicht, und er beobachtete scharf, wie sie auf seine Enthüllung reagierte.

»Ich verstehe. Du hast also wirklich die Wahrheit gesagt, als du mir einreden wolltest, deiner Familie wäre es egal, was ich ihnen zum Dinner vorsetze. Meine Nervosität war völlig unbegründet.« Sie verzog ihren Mund zu einem leicht spöttischen Lächeln. »Das rückt einiges in die richtige Perspektive, nicht wahr?«

Byron war in ihrem Bewusstsein nur ein schwacher Schatten, der ihre Reaktion überwachte. Antonietta verarbeitete das, was er sagte, ohne jedes Vorurteil.

Sie trommelte mit einem Fingernagel auf den Marmor. »Du hast also scharfe, spitze Eckzähne? Wie ein Vampir aus einem Roman?« Antonietta legte ihre Handfläche auf die Pulsader an ihrem Hals.

»Wenn ich mich nähren muss, verlängern sich meine Eckzähne, ja.« Er wandte den Blick nicht von ihrem Gesicht.

Antonietta drehte das Wasser ab. »Kann man in diesem Zimmer Musik hören?«

Die Frage traf ihn so unerwartet, dass er sie fassungslos anstarrte. »Hast du nicht gehört, was ich gerade gesagt habe?«

»Natürlich. Hör zu, Byron, bevor diese Sache mit uns ernster wird, muss ich ein paar wichtige Dinge über dich wissen.«

»Die Tatsache, dass ich Reißzähne habe, könnte von manchen Leuten für wichtig gehalten werden, Antonietta«, sagte er geduldig, während er sich insgeheim fragte, ob er im Begriff war, den Verstand zu verlieren. Allmählich wurde er unsicher. Antonietta war so schön, so mutig, und er sehnte sich danach, sie in seine Arme zu nehmen. Er hatte sich vorgestellt, wie er sie liebevoll beruhigen würde, wenn er sie über die speziellen Eigenheiten seiner Art aufklärte. Aber sie schien überhaupt keiner Beruhigung zu bedürfen.

»Mag sein, aber ich mache mir eher Sorgen um deinen Geschmack in puncto Musik. Mit einigen Dingen kann ich klarkommen, aber Musik ist mein Leben. Falls du einen grauenhaften Geschmack hast ... na ja, ich weiß nicht, aber ich fürchte, ich müsste unsere Affäre ernsthaft überdenken.«

Wieder fuhr er sich nervös mit einer Hand durchs Haar. »Das ist noch etwas, worüber wir sprechen müssen. Wir haben keine Affäre. In den Augen meines Volks, in meinen Augen, sind wir Mann und Frau. Mehr als das. Wir sind für alle Ewigkeit aneinander gebunden. Das bindende Ritual hat bereits stattgefunden.«

Sie wandte den Kopf in seine Richtung und sah ihm ins Gesicht, als könnte sie ihn sehen. »Und wo war ich während dieses Rituals? Ich kann mich nämlich an nichts dergleichen erinnern. Und wenn du schon dabei bist, kannst du mir ruhig erklären, worum es bei diesem Ritual geht.«

Ihr direkter Blick brachte ihn aus der Fassung. Sie wirkte so heiter und gelassen, wie sie in ihrem langen Rock und den Seidenstrümpfen am Wannenrand saß. »Eine Frau ist an ihren Gefährten gebunden, wenn er die uralten bindenden Worte spricht. Die Macht dieser Worte ist jedem unserer männlichen Exemplare von Geburt an mitgegeben. Wir sind zwei Hälften eines Ganzen. Wenn die Worte ausgesprochen werden, werden beide Seelen eins, so, wie es ihnen bestimmt ist, und keiner kann für längere Zeit von seinem Gefährten getrennt sein.«

»Und das kann ohne Wissen oder Zustimmung der Frau vollzogen werden?« Ihr Tonfall war milde. Sie tauchte eine Hand ins Wasser, und die Bewegungen ihrer Finger hinterließen wirbelnde Muster auf der Oberfläche.

»Wir haben nur wenige Frauen. Unsere Spezies ist vom Aussterben bedroht. Wir haben festgestellt, dass es unter den Menschen einige wenige Frauen mit übersinnlichen Fähigkeiten gibt, die dazu bestimmt sind, die andere Hälfte eines Karpatianers zu sein.«

»Und ihr bindet diese Frauen ohne ihr Wissen oder ihre Zustimmung an euch«, wiederholte sie.

»Der Mann hat kaum eine andere Wahl, wenn er überleben will. Die Frau bringt Licht in unsere Dunkelheit. Ohne ihren Einfluss können wir weder Gefühle haben noch Farben sehen. Zu viele unserer Männer sind zu Vampiren geworden oder in die Morgendämmerung gegangen, weil sie ihre Gefährtin nicht finden konnten. Es ist unsere Pflicht, dafür zu sorgen, dass unsere Spezies überlebt. Gefährten des Lebens gehören zusammen.«

Sie nickte leicht, aber er fing das kurze Aufflackern von Zorn in ihrem Inneren auf. »Der Mann hat eine Wahl, Byron. Es gibt immer eine Wahl. - Du bist der Grund, warum ich erst aufwache, nachdem die Sonne untergegangen ist, nicht wahr? Und der Grund, warum mein Gehör und mein Geruchssinn auf einmal so ausgeprägt sind.«

»Wir haben zweimal Blut ausgetauscht. Gefährten tauschen während des Liebesakts häufig Blut aus.«

»Bin ich so wie du? War Josef deshalb überzeugt, dass ich eine andere Gestalt annehmen kann?«

»Noch nicht. Es muss dreimal Blut ausgetauscht werden, um einen Menschen zu einem von uns werden zu lassen. Der betreffende Mensch muss über übersinnliche Kräfte verfügen. Du bist weit empfänglicher als die meisten.«

»Also das ist der Grund, warum du mich heute Abend hierher gebracht hast. Du hast vor, mich zu dem zu machen, was du bist. Deshalb bist du so unruhig.«

»Ich wollte eigentlich noch damit warten, Antonietta, und die Entscheidung dir überlassen.«

»Was hat deine Meinung geändert?« Sie stand auf und zog mit einer geschmeidigen Bewegung die Seidenbluse über ihren Kopf. In ihrer Stimme schwang Neugier mit, echten Tadel konnte er nicht heraushören. Und auch keine echte Angst. Tatsächlich wirkte Antonietta sehr ruhig und gefasst. Sie legte ihre Bluse zusammen, legte sie auf sein Jackett und drehte sich in ihrem blauen Spitzen-BH und ihrem langen, schwingenden Rock zu ihm um.

Ihre Gelassenheit brachte Byron erneut aus der Fassung. Genauso wie ihre vollen Brüste, eine Versuchung in nahezu durchsichtiger Spitze. Er sah zu, wie sie die Nadeln aus ihrem Haar zog und es ausschüttelte. Ihre Brüste wippten einladend.

»Byron? Was hat deine Meinung geändert? Warum hast du beschlossen, mich ohne mein Wissen und meine Zustimmung umzuwandeln?« Antonietta ließ sich aus ihrem langen Rock gleiten und stand in Tanga und Seidenstrümpfen vor ihm.

Die Erregung, die ihn erfüllte, war so stark, dass er einen Moment brauchte, um seine Gedanken zu formulieren. »Der Jaguar heute Abend. Ich war nicht da, um dich zu beschützen. Ich habe dir Celt gegeben, aber ich kann mich nicht allein auf den Barsoi verlassen. Ich muss wissen, dass du immer in Sicherheit bist.« Selbst in seinen eigenen Ohren klang seine Stimme belegt. Er hielt den Atem an, als Antonietta langsam ihre Strümpfe auszog.

»Warum kannst du nicht einfach bei mir im Palazzo bleiben?«

»Wir schlafen nicht auf dieselbe Weise wie ihr. Für dich und alle anderen würde es so aussehen, als wäre ich tot. Wenn du aufwachen und mich für tot halten würdest, könnte dein Kummer lebensgefährlich für dich sein. Du hast einen kleinen Vorgeschmack darauf erhalten, als Paul auf mich schoss. Außerdem bin ich tagsüber sehr verwundbar. Im Palazzo könnte ich weder dich noch mich selbst angemessen beschützen.«

Ihm blieb beinahe das Herz stehen, als sie ihm den Rücken zuwandte und sich vorbeugte, um aus dem kleinen String- tanga zu steigen. Ihm war nicht bewusst, dass er sich bewegt hatte, trotzdem war er auf einmal bei ihr und strich mit seinen Händen über ihre festen Pobacken.

Antonietta stützte sich mit beiden Händen am Wannenrand ab, drängte sich an seine Hand und streckte sich wie eine Katze. »Du glaubst also, ich bin vor dem Jaguar sicher, wenn du mich umwandelst?« Seine Hände wanderten über ihren Körper, glitten in geheime Höhlungen und verwandelten ihr Inneres in brodelnde Lava.

Byron beugte sich vor und hauchte einen Kuss auf ihren Rücken. »Ich weiß, dass du vor ihm sicher wärst, Antonietta.«

Absolute Überzeugung lag in seiner Stimme ebenso wie in seinem Denken. Seine Hände schoben sich zwischen ihre Schenkel, um ihre Beine weiter auseinander zu drängen. Seine Kleidung rieb sich an ihrer sensiblen Haut. Antonietta spreizte gehorsam die Beine. »Magst du den Geschmack meines Bluts?«

Sein ganzer Körper versteifte sich schmerzhaft. »Du versuchst mich zu verführen, Antonietta.«

»Ich bin froh, dass es dir aufgefallen ist, Byron. Es wäre mir gar nicht recht, wenn du mich nur in der Absicht hergebracht hättest, mich vor einer Raubkatze zu beschützen.« Sie drückte sich wieder an ihn und rieb ihren Po bewusst langsam an der dicken Ausbuchtung im Schritt seiner Hose. Ein leiser, genießerischer Seufzer entschlüpfte ihr, als seine Finger zu ihrer feuchten Öffnung fanden und tief hineinstießen.

Seine Zähne knabberten leicht an ihren Pobacken, und seine Zunge kitzelte ihre Haut.

»Ich will, dass du jetzt mein Blut nimmst, Byron. Und dieses Mal will ich es fühlen.«

Der rauchige Ton ihrer Stimme, in dem sie ihre verlockende Forderung aussprach, war das Erregendste, was er je erlebt hatte. Ganz langsam zog er seine Finger aus ihr heraus und drehte sie zu sich herum. »Meinst du das ernst, Antonietta? Du hast keine Angst?«

»Ich weiß nicht, ob ich den Austausch will, ich möchte nur erleben, wie es ist. Ehrlich gesagt, die Vorstellung erregt mich, obwohl ich selbst nicht weiß, warum. Eigentlich sollte ich es eher abstoßend finden. Es hat mich fast rasend gemacht, dass Vlad dir sein Blut gegeben hat. Ich wollte es dir geben. Ich hatte das Gefühl, dass ich diejenige sein sollte, die dir gibt, was immer du brauchst.« Antonietta schob ihre Hände unter sein Hemd. »Zieh deine Sachen aus. Alle. Wir brauchen sie nicht, oder?«

»Nein.« Byron umfing mit einer Hand ihren Hinterkopf und presste seinen Mund auf ihren, während er sich seiner Sachen entledigte. Sie waren Haut an Haut. Er stellte fest, dass er einen ungeheuren Hunger empfand und sein Körper vor Anspannung verkrampft war. Rücksichtslos nahm er ihren Mund in Besitz, wobei Antonietta ihm an Leidenschaft um nichts nachstand. Zungen fanden zueinander und schlangen sich ineinander. Hände wanderten überallhin, berührten, erforschten, eroberten. Sie waren beide von dem rasenden Verlangen erfüllt, zu schmecken und zu fühlen. Sie standen beide in Flammen.

Als sein Mund sich von ihrem löste, um einen Pfad heißer Küsse von ihrer Kehle zu ihrer Brust zu ziehen, warf sie den Kopf zurück und bot ihren Körper seinen Lippen dar. Byron wusste, dass er sich kaum noch beherrschen konnte. Seine Eckzähne wurden bereits länger, und er musste sehr vorsichtig sein, als er ihre Brustspitzen mit seinen Küssen zu harten Knospen werden ließ. Er küsste die Wölbung ihrer Brust, ihr Schulterbein, hauchte einen Kuss in ihre Halsbeuge.

Antonietta griff mit beiden Händen in sein Haar, atemlos vor Verlangen und Erregung. Ihr Körper pulsierte vor Hunger und Hitze. Sein Atem auf ihrem Nacken bewirkte, dass sich ihre Muskeln anspannten. Ihre Brüste schmerzten, ihr Unterleib pochte. Seine Zunge berührte ihre Haut. Seine Zähne streiften sie, sanft und sehr zärtlich.

Byron zog sie schützend in seine Arme. »Antonietta. Bist du sicher, dass es das ist, was du willst? Ich kann dich vor dieser Erfahrung bewahren, wenn du Angst hast.«

»Hast du das Gefühl, dass ich Angst habe? Ich brauche es genauso wie du. Ich begehre dich so sehr, Byron. Ich denke jede Minute, die ich wach bin, an dich. Ich will alles über dich wissen. Ich will wissen, wie mein Leben mit dir aussehen würde. Du bietest mir Dinge an, die ich nicht ganz begreifen kann.« Ihre Hände ballten sich in seinem langen Haar zu Fäusten. Ihr ganzer Körper vibrierter vor sexueller Anspannung.

Seine Zähne fanden ihre Pulsader, und seine Zunge tanzte über ihre Haut. Ihr stockte der Atem. Er spürte, wie die Liebe, die ihn erfüllte, sich mit seiner Lust und seinem erotischen Hunger vermischte. »Ich liebe dich.« Er raunte ihr die Worte zu und bohrte seine Zähne tief in ihr Fleisch.